Das Abenteuer Grenze beginnt, wie sollte es anders sein, mit
Warten. In der Nacht ist die Schlange noch viel länger geworden, einige Autos
versuchen, wie hier üblich, sich von der Seite hereinzudrängen, leider mit Erfolg.
Um 10:00 endlich öffnet sich der Schlagbaum und ein weiteres
Tor dahinter und wir rücken vor. Aber nur bis zum Tor, das zwei Autos vor uns
geschlossen wird, wieder warten. Wir
kommen mit zwei amerikanischen Motorradfahrern ins Gespräch, Vater und Sohn. Der
Vater hat seinen Geldbeutel an der russischen Grenzstation verloren, die beiden
dachten, sie könnten mal eben schnell zurück fahren, denkste, die normale
Ausreiseprozedur ist notwendig. Die dauert bei uns gute zwei Stunden, die Pässe
wurden gefühlte zwanzig Mal kontrolliert, die Autodaten erst handschriftlich dann per
Computer erfasst usw. Diese unsinnige Bürokratie nervt einfach.
Dann fahren wir zur russischen Grenzstation, auf russischem
Gebiet auf guter Teerstraße. Dort stehen wir wieder vor einem geschlossenen
Tor und warten. Der junge Beamte, der dort die Immigrationszettel verteilt,
später lernen wir ihn als Antony kennen,
spricht gutes Englisch und ist von ausgesuchter Höflichkeit und Freundlichkeit.
Der lotst uns auch zur PKW-Spur, nicht zu den LKWs. Dann führt er uns zu dem
Häuschen, in dem eine resolute Russin sitzt, wie man sich die so vorstellt. Sie
betrachtet unsere Pässe, telefoniert und legt die Pässe beiseite, wir sollen
warten. Komisch, was ist los, denke ich. Antony taucht wieder auf und bittet
uns in das Gebäude in ein Büro, dort sitzt bereits das italienische Paar. Ein
Beamter versucht in schlechtem Englisch, mit denen zu kommunizieren. Schlechtes
russisches Englisch trifft auf schlechtes italienisches Englisch, aber man
versucht sich zu verstehen und geht freundlich miteinander um.
Antony klärt uns auf, unsere Visa entsprechen nicht unserem
Status, wir reisen mit Geschäftsvisa als Touristen und das müsse protokolliert
werden. Was wir in englisch erzählen, wie wir die Visa bestellt haben, wo, wie
wir gereist sind, tippt der Beamte sichtlich genervt auf russisch in den PC. Antony
assistiert, druckt das Ganze aus und wir müssen unterschreiben. Ich sage Antony
„I trust you that this is not my death sentence”
und wir lachen herzlich, der Beamte hinter dem Schreibtisch auch.
Mit Hans wurde zwischenzeitlich das
Auto nur oberflächlich inspiziert. Dann noch das Zolldokument für das Auto ausfüllen
in zweifacher Ausfertigung, viele Stempel darauf und wir sind durch. Antony
kommt uns verabschieden und versichert uns, er und viele Russen hätten es auch
gern einfacher und mehr Touristen im Land, aber die Welt sei so wie sie halt
ist. Würde doch der große Wladimir auf solche Leute hören, denke ich mir.
In Kosch-Agatsch, ca. 50km hinter der
Grenze, finden wir eine Bank und können eine russische SIM-Karte kaufen. Auch
dabei zeigt sich wieder die hilfsbereite russische Seele. Wir fragen uns
durch, bis wir den Laden gefunden haben, es ist ein kleiner Laden in einem
großen Haus mit vielen, kleinen Läden. Der Rollladen ist herunter, aber der PC
ist an, also ist der Betreiber nicht weit. Dessen Nachbarin, eine rundliche,
freundliche Frau greift zu ihrem Telefon, wenig später steht der Besitzer vor
uns. Sein Englisch ist miserabel, aber er hat Internet und so können wir uns
mittels Google Translate gut unterhalten. Später ruft er noch eine jungen
Kasachin dazu, die gut englisch spricht und sehr apart aussieht.
Ein älterer Russe kommt dazu,
irgendwie hat er gemerkt, dass wir Deutsche sind und erklärt uns auf
Russisch etwas, aus den Worten „Panzer, Magdeburg, zwei Jahre“ schließen wir,
er war zwei Jahre in Deutschland. Verabschiedung natürlich auf Russisch mit vielen
Umarmungen und Schulterklopfen.
Nun sind wir im Besitz einer
russischen SIM-Karte für Internet, sie hat 250 Rubel gekostet, das sind knapp
vier Euro, incl. eines Guthabens von 200Rubel. Der Tag im Internet kostet 12,50
Rubel, also noch nicht einmal 20 Cent, ohne Volumenbegrenzung. Solche Preise
wünscht man sich in Deutschland.
Am Ausgang steht unser Russe aus
Magdeburg mit Freundinnen und Freunden, wir werden vorgestellt, es werden Hände
geschüttelt und umarmt. Diese ehrliche Freundlichkeit und Herzlichkeit zu spüren,
das macht große Freude und treibt mir manchmal einen Kloß in den Hals bei dem Gedanken, was Völker sich antuen können, obwohl Menschen sich fast immer verstehen.
Wir folgen dem Lauf des Chuia Richtung
Nordosten. Es ist ein wunderschönes, grünes Tal und offensichtlich ein beliebtes
Feriengebiet, was bei der Schönheit nicht verwundert.
In Aktasch bleiben wir stehen, Hans
hat festgestellt, sein Geburtstag ist bereits heute, er war einen Tag „hintendran“.
Also gebe ich ihm heute frei vom Kochen und wir essen in dem Lokal, nicht dem
Anlass angemessen, aber nicht schlecht. Ach ja, so warm die russischen Herzen
sind, so kalt sind die Lokale.
Das Geburtstagsbier trinken wir in der
Sonne vor dem Auto in der Wiese.
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