Translate

Montag, 13. Juni 2016

12.06. 2016 Irkutsk



Der Morgen ist trüb und kühl, wir starten Richtung Irkutsk. Am Ausgang des Dorfes ist eine Siedlung mit neuen, sehr schönen Häusern mit BMW-Flaggen geschmückt. An der Fähre dann stehen über 20 BMW X1 mit chinesischen Schriftzeichen auf dem Nummernschild, Offensichtich findet eine Werbeveranstaltung von BMW für chinesische Kunden auf der Insel statt. Deswegen so viele chinesischen Touristen in BMW-blauen T-Shirts. Olchon wird gnadenlos vermarktet, Nationalpark hin oder her. Die Unberührtheit, die wir vor Jahren in der ZDF-Serie über Olchon gesehen haben, ist Vergangenheit. 

Der Himmel wird immer dunkler, es regnet,  es donnert  und dann prasselt Hagel auf uns herunter. Die Temperatur sinkt auf 12°C. Als alles vorbei ist, steigt das Thermometer wieder auf 25°C und es wird schwül. Bis das nächste Gewitter uns einholt. So geht es bis Irkutsk.

Bei der Fahrt nach Olchon habe ich eine große Reifenwerkstatt entdeckt, bei der ich nun die Räder am Auto kreuzweise wechseln lassen wollte. Die hat erwartungsgemäß zu, eine Waschanlage mit LKW-Halle arbeitet jedoch. So sauber war das Auto seit seiner Fertigstellung noch nie. Erst wird mit dem Kärcher der grobe Schmutz abgewaschen, dann Unmengen von Seifenschaum auf das Auto gespritzt, der mit langen Bürsten abgewaschen wird. Zum Schluss wird alles wieder mit Unmengen Wasser abgespült. Das Ganze für 1000 Rubel, also €14. Zwei Mann werkeln in Badeshorts und Flipflops.

Wir machen Platz in der Waschhalle für einen Reisebus aus Frankreich und fahren Richtung Innenstadt. Wir wollen einen Übernachtungsplatz finden und dann ein wenig bummeln und Essen gehen. Das mit dem Übernachtungsplatz gestaltete sich schwierig, wie immer in großen Städten. Auf einem bewachten Parkplatz dürfen wir nicht stehen, zu groß, meinte der Wächter. Dass ein noch größerer Autokran darauf stand, war kein Argument. Die Parkplätze des riesigen Einkaufzentrums werden geschlossen, bedeutet man uns und ein freier Platz in einer ruhigen Seitenstraße ist überfüllt mit Spritzen, also ein Treffpunkt für Junkies. Schließlich stelle ich das Auto in einer Nebenstraße direkt am Park Skver Kirova ab, vor den Augen eines Polizisten, den das nicht interessiert. Er lässt seinen schwarz-weiß gestreiften Knüppel um sein Handgelenk kreisen und demonstriert damit, wie alle russischen Polzisten seine Macht und seine Coolness. Wahrscheinlich haben sie sich das in alten französischen Filmen von den Flics abgeschaut.

Das Restaurant ist leer, wir bekommen russisches Bier in Erdinger Weißbiergläsern serviert, ansonsten ist das Essen gut und preiswert, obwohl das Restaurant einen gehobenen Eindruck macht. Um acht Uhr kommt die Kellnerin mit der Rechnung, demonstrativ bereits in Straßenkleidung, wir haben begriffen und gehen.

Irkutsk hat die typische Mischung aus alten, prächtigen, aber morbiden oder auch maroden Bauten aus der kapitalistischen, hier zaristischen Zeit und den gnadenlos dazwischen oder sogar daran gebauten, gesichtslosen, sozialistischen Zweckbauten, grauenhaft. Die Kommunisten haben überwiegend nicht begriffen, welchen kulturellen Wert diese Gebäude auch dargestellt haben. Sie waren und sind nicht nur Demonstration von Reichtum, sondern auch Demonstration eines hochklassigen Handwerks, also dem Können von arbeitenden Menschen. Oder sahen sie in diesen qualifizierten Handwerkern schon Klassenfeinde? 

Der Park ist schön und gepflegt und die Prachtstraßen riesig. Den Spaziergang muss ich relativ schnell beenden, meine linke Hüfte macht mal wieder Probleme, ich hätte mich vorher mit einer Ibuprofen dopen sollen. Außerdem wird der Himmel schwarz. 

Vor dem Auto treffen wir ein junges, deutsches Paar aus Hamburg, das mit der Tanssib unterwegs ist. Erstaunlich, wie viele Junge individuell in schwierigen Gegenden unterwegs sind. Sie scheinen doch nicht nur im Mainstream zu konsumieren, das ist sehr erfreulich. Sie erzählen uns, dass heute Abend ein Feuerwerk stattfindet direkt nebenan und morgen Nationalfeiertag sei, also wieder nichts mit Räder wechseln. Das Gewitter treibt uns in das Auto und das Paar in das Quartier.

Der Regen prasselt auf das Auto, wir trinken noch ein Bier und lassen Feuerwerk Feuerwerk sein, im Einschlafen höre ich es über mir rumpeln. Feuerwerk oder Donner, es ist mir egal, ich schlafe ein. Auch die später vorbeiziehenden Partygänger und die nahen Discos stören mich nur wenig.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen