Der Morgen ist trüb und kühl, wir starten Richtung Irkutsk.
Am Ausgang des Dorfes ist eine Siedlung mit neuen, sehr schönen Häusern mit
BMW-Flaggen geschmückt. An der Fähre dann stehen über 20 BMW X1 mit
chinesischen Schriftzeichen auf dem Nummernschild, Offensichtich findet eine
Werbeveranstaltung von BMW für chinesische Kunden auf der Insel statt. Deswegen
so viele chinesischen Touristen in BMW-blauen T-Shirts. Olchon wird gnadenlos
vermarktet, Nationalpark hin oder her. Die Unberührtheit, die wir vor Jahren in
der ZDF-Serie über Olchon gesehen haben, ist Vergangenheit.
Der Himmel wird immer dunkler, es regnet, es donnert und dann prasselt Hagel auf uns herunter. Die
Temperatur sinkt auf 12°C. Als alles vorbei ist, steigt das Thermometer wieder
auf 25°C und es wird schwül. Bis das nächste Gewitter uns einholt. So geht es
bis Irkutsk.
Bei der Fahrt nach
Olchon habe ich eine große Reifenwerkstatt entdeckt, bei der ich nun die Räder
am Auto kreuzweise wechseln lassen wollte. Die hat erwartungsgemäß zu, eine Waschanlage
mit LKW-Halle arbeitet jedoch. So sauber war das Auto seit seiner
Fertigstellung noch nie. Erst wird mit dem Kärcher der grobe Schmutz
abgewaschen, dann Unmengen von Seifenschaum auf das Auto gespritzt, der mit
langen Bürsten abgewaschen wird. Zum Schluss wird alles wieder mit Unmengen
Wasser abgespült. Das Ganze für 1000 Rubel, also €14. Zwei Mann werkeln in Badeshorts
und Flipflops.
Wir machen Platz in der Waschhalle für einen Reisebus aus
Frankreich und fahren Richtung Innenstadt. Wir wollen einen Übernachtungsplatz
finden und dann ein wenig bummeln und Essen gehen. Das mit dem
Übernachtungsplatz gestaltete sich schwierig, wie immer in großen Städten. Auf
einem bewachten Parkplatz dürfen wir nicht stehen, zu groß, meinte der Wächter.
Dass ein noch größerer Autokran darauf stand, war kein Argument. Die Parkplätze
des riesigen Einkaufzentrums werden geschlossen, bedeutet man uns und ein
freier Platz in einer ruhigen Seitenstraße ist überfüllt mit Spritzen, also ein
Treffpunkt für Junkies. Schließlich stelle ich das Auto in einer Nebenstraße
direkt am Park Skver Kirova ab, vor den Augen eines Polizisten, den das nicht interessiert. Er
lässt seinen schwarz-weiß gestreiften Knüppel um sein Handgelenk kreisen und
demonstriert damit, wie alle russischen Polzisten seine Macht und seine
Coolness. Wahrscheinlich haben sie sich das in alten französischen Filmen von
den Flics abgeschaut.
Das Restaurant ist leer, wir bekommen russisches Bier in
Erdinger Weißbiergläsern serviert, ansonsten ist das Essen gut und preiswert,
obwohl das Restaurant einen gehobenen Eindruck macht. Um acht Uhr kommt die
Kellnerin mit der Rechnung, demonstrativ bereits in Straßenkleidung, wir haben
begriffen und gehen.
Irkutsk hat die typische Mischung aus alten, prächtigen,
aber morbiden oder auch maroden Bauten aus der kapitalistischen, hier zaristischen
Zeit und den gnadenlos dazwischen oder sogar daran gebauten, gesichtslosen,
sozialistischen Zweckbauten, grauenhaft. Die Kommunisten haben überwiegend
nicht begriffen, welchen kulturellen Wert diese Gebäude auch dargestellt haben.
Sie waren und sind nicht nur Demonstration von Reichtum, sondern auch
Demonstration eines hochklassigen Handwerks, also dem Können von arbeitenden
Menschen. Oder sahen sie in diesen qualifizierten Handwerkern schon
Klassenfeinde?
Der Park ist schön und gepflegt und die Prachtstraßen
riesig. Den Spaziergang muss ich relativ schnell beenden, meine linke Hüfte
macht mal wieder Probleme, ich hätte mich vorher mit einer Ibuprofen dopen
sollen. Außerdem wird der Himmel schwarz.
Vor dem Auto treffen wir ein junges, deutsches Paar aus
Hamburg, das mit der Tanssib unterwegs ist. Erstaunlich, wie viele Junge
individuell in schwierigen Gegenden unterwegs sind. Sie scheinen doch nicht nur
im Mainstream zu konsumieren, das ist sehr erfreulich. Sie erzählen uns, dass
heute Abend ein Feuerwerk stattfindet direkt nebenan und morgen
Nationalfeiertag sei, also wieder nichts mit Räder wechseln. Das Gewitter treibt
uns in das Auto und das Paar in das Quartier.
Der Regen prasselt auf das Auto, wir trinken noch ein Bier
und lassen Feuerwerk Feuerwerk sein, im Einschlafen höre ich es über mir
rumpeln. Feuerwerk oder Donner, es ist mir egal, ich schlafe ein. Auch die
später vorbeiziehenden Partygänger und die nahen Discos stören mich nur wenig.
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